Disclaimer: dieser Post stellt meine persönliche Meinung dar. Es ist meine persönlich Interpretation. Einige der genannten Punkte sind persönliche Einschätzungen und Vermutungen für die ich keine Belege habe. Dieser Post steht nicht in Verbindung mit irgendeinem Projekt für das ich ehrenamtlich arbeite und für Kubuntu bin ich nur ein Anwender.
Immer wieder lese ich, dass Kubuntu eine schlechte KDE Distribution sei, Canonical zu wenig für KDE macht, GNOME in Ubuntu viel besser integriert ist, etc. etc. Ich frage mich immer wieder woher diese Meinung kommt. Vorweg: ich halte sie für Quatsch.
Zuerst einmal frage ich mich: was macht eine Distribution zu einer schlechten? Für mich wäre es wenn die Distribution viel patcht und diese nicht nach Upstream durchgibt, oder sehr viele neue Features aus dem Entwicklungszweig importiert, etc. Da ich durch ein selbstgebautes KDE den direkten Vergleich habe, kann ich einfach mal sagen: Kubuntu patcht wenig. Ich kenne Distributionen, die bedeutend mehr patchen.
Nun möchte ich ein paar mögliche Thesen aufgreifen.
1. These: Canonical macht zu wenig für KDE
Dazu zitiere ich jetzt einfach mal Mark Shuttelworth:
(12:25:17 PM) jcastro:
jcastro: QUESTION: Do you think Kubuntu is a blue headed step child that every seems to think it is? If not, can you put the rumours to rest, with possibly a song or a lovely poem letting everyone know just how much you really love us over in the Kubuntu community?
(12:25:31 PM) sabdfl: oh dea
(12:25:32 PM) sabdfl: r
(12:25:53 PM) sabdfl: this question makes me rather sad, because i don’t know what else i could do
(12:26:09 PM) sabdfl: i worked out the other day that i personally spend more than $2m a year supporting Kubuntu and KDE
(12:26:20 PM) sabdfl: and yet those communities think it’s cool to act unloved
(12:26:40 PM) sabdfl: i think the Kubuntu community’s work is amazing, and they should be proud of it
(12:27:07 PM) sabdfl: there’s no need to make out like it’s against the forces of corporate indifference
(12:27:19 PM) sabdfl: when in fact I and many others bend a long way to make it possible
(12:27:25 PM) sabdfl: that’s about enough on the subject
Wir sehen hier auch ein ganz wichtiges Wort: Community. Kubuntu ist eine Community Distribution – im Gegensatz zu Ubuntu. Wenn sich jemand über den “schlechten” Zustand von Kubuntu beschwert, könnte man auch ganz provokativ zurückfragen: Und was hast du gemacht um es zu verbessern?
Aber um das ganze noch ein bißchen weiter zu verfolgen, werfen wir mal einen Blick zurück. Kubuntu existiert seit 5.04, KDE 3.5 seit November 2005. Warum erwähne ich diese zwei Zeitpunkte? Mit KDE 3.5 hat sich die Entwicklercommunity KDE 4 zugewandt. Das Projekt stand für den Anwender im Prinzip still. Das Release von KDE 4.0 erfolgte Januar 2008, die erste wirklich nutzbare Version mit 4.2 im Januar 2009. Das sind mehr als drei Jahre.
Canonical war natürlich klar, dass KDE “eine Auszeit nimmt”. Für neue Versionen reichte es im Prinzip die aktuellste KDE Version zu paketieren. Neues kam von KDE kaum dazu. Neue Technologien wurden alle in KDE 4 eingebaut, KDE 3 hatte ja Stillstand erreicht. Wie hätte Canonical Neuerungen aus Ubuntu einbauen sollen? Hätten sie wirklich als junges Unternehmen, das keinen Gewinn abwirft, Geld verbrennen sollen, indem sie in KDE 3.5 investieren? Ja ich spreche bewusst von verbrennen, da die meisten Sachen gleichzeitig für KDE 4 entwickelt wurden.
These 2: Canonical/Kubuntu gibt nichts an KDE zurück
Nun das ist eine These, die wirklich absoluter Quatsch ist. Canonical/Kubuntu hat vielleicht nicht die Manpower um viele KDE Anwendungen zu schreiben, aber es fließt ständig etwas von Kubuntu zu KDE zurück. Ich möchte mal ein paar Beispiele nennen. Kubuntus SystemSettings sind heute der Standard in KDE, Kubuntus Katapult war ein Vorläufer des heutigen KRunners, Kubuntu hat die Druckerkonfiguration nach KDE portiert und in KDE integriert, Kubuntu Entwickler geben regelmäßig Bugreports an Upstream weiter.
Ach und ich möchte einfach mal erwähnen, dass der KDE 4 Port für OpenOffice.org von Kubuntu Entwicklern durchgeführt wurde und auch in anderen Distributionen nun zur Verfügung steht.
These 3: Kubuntu integriert nicht ausgereift Bestandteile
Nun an dieser These ist was dran. Kubuntu hat Dolphin recht früh integriert oder auch das Networkmanager Plasmoid. Schauen wir mal das Beispiel Dolphin an: Dolphin ist ein einfacher Dateimanager, dessen Zielgruppe ziemlich denkungsgleich mit der Zielgruppe der Kubuntu User ist. Kubuntu hat die Devise, das beste verfügbare Werkzeug für eine Aufgabe zu verwenden. Dolphin war in dem KDE 3 Port das beste verfügbare Werkzeug für einfache Dateiarbeiten. Konqueror ist ein Poweruser Werkzeug, welches viele Anwender überfordert. KDE selbst hat die Problematik ja auch erkannt, Kubuntu hatte es schneller umgesetzt.
Schauen wir auf den Networkmanager: nun das war wirklich katastrophal. Aber wie konnte es dazu kommen? In KDE 4.2 gab es noch keinen Networkmanager, jedoch wurde an einem gearbeitet und soweit ich weiß gab es die Aussage, dass dieses bis zur Releasewelle im Frühjahr in einem brauchbaren Zustand ist. Das war es am Ende jedoch nicht. Nun hätte man umdisponieren können? Ja man hätte weiterhin den KDE 3 networkmanager verwenden können. In Verbindung mit dem neuen Networkmanager aber auch ziemlich unbrauchbar oder man hätte den GNOME networkmanager verwenden können. Das wäre sicherlich die beste Option gewesen. Aber hätte man ihn mitsamt den Abhängigkeiten auf die LiveCD bekommen? Ich weiß es nicht.
These 4: Kubuntu hat $feature_von_Ubuntu nicht
Nun hier wieder der Verweis auf das schon oben erwähnte KDE 3/4 Problem. Hätte Kubuntu wirklich alle neuen Features implementieren sollen, obwohl gleichzeit in KDE an einer Lösung gearbeitet wird? Bestes Beispiel: Desktop Effekte. Compiz wird in Ubuntu seit 7.10 standardmäßig verwendet. KDE hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Effekte in der Entwicklerversion integriert. Hätte man wirklich den Anwendern standardmäßig Compiz geben sollen? Man bedenke: KWin gilt als Fenstermanager mit bedeutend mehr Funktionen und besserer Stabilität.
Und hier möchte ich auch erwähnen, dass sich etwas grundlegend geändert hat. Neuerungen sollen nun auch gleichzeitig in Kubuntu integriert werden. Canonical hat viel Zeit und Geld in die Benachrichtigungen investiert und diese Neuerungen sind nun auch Bestandteil von KDE. Wie kommt’s? Nun KDE ist nun mit KDE 4 wieder aktiv in der Entwicklung. Neuerungen können einfach weitergegeben werden.
These 5: Kubuntu ist langsamer als andere Distributionen
Dies ist eine These, die ich immer mal wieder höre. Wenn man dann genauer hinschaut, wird meistens Arch mit KDEmod als hochgelobtes Land gepriesen. Arch ist eine Rolling Release Distribution und kann daher vom Releasemodell nicht mit Kubuntu verglichen werden. Meistens ist es einfach der Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
Aber es gibt meiner Meinung nach eine einfache Erklärung für die immer wiederkehrende Behauptung, dass Arch mit KDEmod so viel schneller sei: KDEmod verwendet standardmäßig das Qt Graphicssystem “Raster” anstatt “Native”. Ja das ist schneller. Aber ob es eine gute Idee ist, darauf standarmäßig zu setzen, darf jeder für sich selbst entscheiden. Raster gibt es seit Qt 4.5, welches etwa zwei Monate vor Kubuntu 9.04 veröffentlicht wurde. Hätte man wirklich standardmäßig alle Anwendungen damit betreiben sollen? Bringt es überhaupt Vorteile bei allen Anwendungen? Ist es nicht sinnvoller die Entwickler der Anwendungen entscheiden zu lassen, die viel besser einschätzen können, ob man nativ braucht oder raster überhaupt Vorteile bringt? Meine Meinung dazu steht: lieber stabil und etwas langsamer als verfrüht auf ein neues Pferd zu setzen. Wer sich daran stört, ist bei einer bleeding edge oder rolling release Distribution besser aufgehoben
These 6: Kubuntus Übersetzungen sind katastrophal
Nun dazu gibt es nicht viel zu sagen: es stimmt. Jedoch ist größtenteils die Kubuntu Community unschuldig. Das größte Problem scheint wohl in Rosetta zu liegen. Ich gebe Kubuntu noch einmal eine Chance es mit 9.10 richtig hinzubekommen. Ach und wer jetzt gleich in den Kommentaren sich auslassen will, dass die Übersetzung in den 4.3 Paketen so katastrophal ist, bedenke bitte, dass 4.3 in Jaunty nicht unterstützt ist.
Zusammenfassend denke ich, stimmen die Anschuldigungen gegenüber Kubuntu und Canonical einfach nicht. Natürlich könnte einiges besser sein, aber das ist doch überall so. Der größte Knackpunkt sind meiner Meinung nach die Übersetzungen und ich hoffe einfach, dass Canonical da aus den Fehlern lernt.