Entscheidung des Presserats zum Chip Artikel Betriebssysteme im Härtetest

Man erinnert sich vielleicht noch an den Betriebssystem Test zwischen Windows 7, MacOS Snow Leopard und Kubuntu in nicht definierter Version letztes Jahr in der CHIP und auf Focus Online. Ich hatte den Artikel damals auch etwas auseinandergenommen. Zusätzlich hatte ich auch eine Beschwerde beim Presserat gegen den Artikel bei Focus Online eingelegt. Motiviert hat mich vor allem, dass über Tage hinweg jedes mal die selbe Werbeanzeige zu sehen war und immer noch zu sehen ist:

Ich sah in der Werbeanzeige für Windows 7 einen klaren Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz von redaktionellem und inhaltlichem Bereich wie er nach Ziffer 7 des Pressekodex nicht gestattet ist. Zusätzlich habe ich mir einen der vielen redaktionellen Fehler herausgepickt und eine Beschwerde wegen Verstosses der Sorgfaltpflich (Ziffer 2) eingelegt. Dazu hab ich den Bereich ausgewählt, bei dem ich mich am Besten auskenne und auch persönlich involviert bin (mittlerweile bin ich Miturheber der angeblich fehlenden Funktion und würde daher nun zum Mittel der Gegendarstellung greifen statt den Presserat anzurufen):

Nach nun etwa einem Jahr kam die endgültige Enscheidung: "Beschwerde begründet, keine Maßname, Ziffer 2"

Eine Verletzung des Trennungsgrundsatzes liegt nicht vor, da die Platzierung der Werbung angeblich nicht beeinflusst werden kann. Als Informatiker halte ich diese Aussage für nun ja nennen wir es schwachsinnig. Ein einfaches Tag-System würde bereits ausreichen um zu garantieren, dass bei einem Artikel zu Windows 7 keine Werbung dafür erscheint. Wäre für die Redaktion sehr hilfreich, da man dann nicht annehmen würde, dass der Artikel gekauft ist.

In Bezug auf die KWin Funktionalität hat die Redaktion dem Presserat auch eine Geschichte aufgedeckt, die – ich kommentiere das hier nicht weiter sonst wird es unfreundlich. Der Presserat hatte diese Geschichte der Redaktion abgekauft und die Beschwerde ursprünglich als unbegründet zurückgewiesen. Nun ja ich mag es nicht wenn man über meine Arbeit lügt und habe daher noch einmal geantwortet und Widerspruch eingelegt. Habe die Stellungsnahme der Redaktion auseinandergenommen und darauf hingewiesen, dass ich ehrenamtlicher Entwickler der Anwendung bin, die besagter Funktion, welche nicht existiert, bereitstellt. Der Presserat hat daruafhin die Beschwerde wieder aufgenommen. Im weiteren Verlauf hat die Redaktion ihre Meinung geändert und bestätigt, dass Kubuntu die Vorschaufunktion besitzt, aber sich auch ein neues Märchen ausgedacht, von wegen auf Ati funktioniert das nicht (hmm welche Karte verwende ich? Ach richtig Ati). Für mich ist das eine weitere Bestätigung, dass die Redaktion eine Entwicklerversion getestet hat, bei der manchmal halt der Catalyst Treiber nicht verfügbar ist. Schwachsinn ist das ganze dennoch, da ich bereits in meiner Stellungsnahme auf die XRender Funktionalität hingewiesen hatte. Ich spiele mit dem Gedanken nun noch einmal an den Presserat zu schreiben ohne erneut Widerspruch einzulegen. Im Gesamten sieht der Presserat nun aber doch die Sorgfaltpflicht verletz und hält die Beschwerde für begründet. Jedoch wird keine Maßnahme ergriffen, da online die Bildbetitelung abgeändert wurde:

Kubuntu-Linux: Eine Übersichtsfunktion für offene Fenster ist serienmäßig auf Systemen ohne OpenGL-Grafikbeschleunigung nicht verfügbar.

Nun ist das eigentlich immer noch genauso falsch, denn serienmäßig ist XRender verfügbar, jedoch standardmäßig nicht aktiviert. Die gesamte Entscheidung des Presserats hab ich als PDF hinterlegt.

Fazit: der Presserat ist ein Papiertiger. Bei einer Beschwerde schenkt er der Redaktion mehr Glauben als dem Beschwerdeführer und führt keinerlei unabhängige Überprüfung durch. Selbst nach einem Widerspruch wird die Aussage der Redaktion nicht noch einmal gegengeprüft (ich hätte das mit der Ati Karte gerne noch einmal auseinandergenommen bevor der Pressearat berät). Für mich war das meine erste Beschwerde beim Presserat und ich vermute, dass es auch meine letzte bleibt.

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23 Replies to “Entscheidung des Presserats zum Chip Artikel Betriebssysteme im Härtetest”

  1. Ich habe inzwischen aufgehört, solche Artikel wie Win vs. Linux vs. Mac zu lesen. Normal muss man nur deren Heft-Cover gesehen haben, um eindeutig zu wissen, dass die NIE objektiven bzw. ernstzunehmenden Journalismus machen werden und auch NIE gemacht haben.

    Im Gegensatz dazu bringt die in meiner Gegend sehr weit verbreitete Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ Artikel, in der die Redakteure sehr Objektiv bleiben. Dort wird Linux im Allgemeinen als Betriebssystem für jenen, der auch mal abseits des Stromes schwimmt und sich nicht immer an die Normen halten muss, beschrieben.

    Am liebesten laufe ich an den Regalen vorbei und sehe, was ich mir seit inzwischen 4 Jahren erspare…

    1. “Am liebesten laufe ich an den Regalen vorbei und sehe, was ich mir seit inzwischen 4 Jahren erspare…”

      Mach ich genau so und wenn ich überlege, was ich in den letzten 4 Jahren an Geld gespart habe: kein ct-Abo mehr, keine PC-Professionel und die gelegentlich erworbene PC-Welt kann ich mir auch sparen – fantastisch. Das sind so überschlagen 600 – 700 €.

  2. Danke für Deine Beschwerde beim Presserat. Die Beschwerde war begründet, da eine Fachzeitschrift ihrem eigenen Anspruch als Fachzeitschrift gemäß, Vertrauen bei den Lesern genießen kann und soll. Daraus erwachsen Sorgfaltspflichten.

    Vielen Dank für Deine Arbeit für die Beschwerde und dass Du diese veröffentlicht hast. Der Artikel bildet aufgrund irriger Annahmen falsche Meinungen. Der Artikel führt also in die Irre. Immer noch.

    Ein Armutszeugnis für den Autoren und die Zeitschrift, dass man sich
    1. nicht entschuldigte,
    2. den Artikel nicht korrigierte und
    3. nicht öffentlich eine Beta-Version mit fertigen Versionen verglichen wurde.

    Ich möchte Dich ermutigen, eine Gegendarstellung zu veranlassen. Diese sind sehr knapp formuliert. Mit dem Urteil des Presserates im Hintergrund werden sie die Gegendarstellung nicht verweigern können und dieser kurze Text stellt die Seriosität des Artikels in Frage. Die Wirkung wäre lohnend, bei weniger Arbeit. Vielleicht besinnt sich die Zeitschrift auf die Wahrheit.

    Mehr ist gar nicht notwendig!

  3. Naja ist halt Chip, da kann man nix erwarten. Das Geld, was andere in den Journalismus stecken, stecken die in Bestechungsgelder für den Presserat. 😉

    SCNR

  4. Pingback: deesaster.org
  5. Ich finde es schade, dass der Presserat sich nicht wirklich für eine Korrektur der betreffenden Fehlinformationen einsetzt. Und das Magazin CHIP lese ich seit dem betreffenden Artikel nicht mehr und werde die wahrscheinlich nie wieder tun. Allerding war mir als passioniertem Kubuntunutzer klar, dass die meisten Aussagen nicht stimmen. Ich hoffe CHIP wird noch eine Klarstellung oder einen neuen Vergleich veröffentlichen, um die Glaubwürdigkeit zu behalten.

    mfG Jonathan

  6. Hallo Martin,
    schön das Du dich beschwerd hast aber es ist wie vor einer Mauer laufen, vor der Presselobby keine Chance. Wie viele andere habe ich mich auch geärgert. Meine Karte ist auch eine ATI und kein fglrx Treiber der freie radeon und läuft. Glaube selbst eine Unterschriftensammlung schmeißt da im Rat niemanden um.
    Wirklich gute Produkte haben es in der Masse schwer zu bestehen, war schon vor 30 Jahren so. Laß dich nicht beirren, der Weg ist so richtig! Wir leben in einer Lobby-Gesellschaft die bestimmt was läuft – Schade eigendlich. Dies ist nur meine Meinung und kann von anderen durchaus abweichen.

  7. Wäre ja nicht das erste Mal, dass Focus Mist von sich gibt. Die hatten mal in einem Artikel über eine Saturnsonde ziemlichen Schwachsinn geschrieben und nach meinem korrigierenden Kommentar wurde zwar der Artikel verändert, aber es gab keine Änderungsnotiz und der Kommentar wurde auch nicht durchgelassen…

    Ich finde, du hättest eher dahingehend argumentieren sollen, dass der Beta-Status von Kubuntu im Artikel nicht erwähnt wurde. Das ist ein viel größeres Problem, als die fehlende Vorschaufunktion und die Redaktion könnte sich da nicht rausreden…

  8. Nicht verzagen. Ich glaube schon, dass ein bisschen was bei der Redaktion angekommen ist. Sie mussten immerhin sich zweimal rechtfertigen. Das die erste Rechtfertigung nochmal erneuert werden musste, dürfte dem ein oder anderen Redakteur auch aufgefallen sein. Noch dazu lief der Schriftwechsel wahrscheinlich sogar über den Schreibtisch eines Chefs.

    Steter Tropfen höhlt den Stein.

  9. Sehr schöner Beitrag und ich finde es fantstisch, dass sich jemand auch die Arbeit macht solche Fehlerhaften Angaben zu melden bzw. zur Anzeige zu bringen.
    Ich kannte diesen Artikel nicht aber als ich ihn gerade gelesen habe, stellte ich fest, dass ich doch sehr sehr oft nur mit dem Kopf schütteln musste.
    Die Werbung “WIndows7 vorbestellen ” Ist übrigens immer noch da. Vorbestellen ??? Hmm ist es nicht schon lange lange auf dem Markt 😉
    Soviel dann zu dem Thema wir haben keinen Einfluss auf die Werbung welche eingeblendet wird.
    Was mich auch sehr erstaunt hat war die Benutzerbewertung auf der letzen Seite.
    Wenn Windows 7 vor OSX und Linux von Chip bewertet wird, dann frage ich mich doch wirklich ob sich über 22000 Benutzer irren können. Denn laut der Bewertung ist Linux auf 1 dann OSX und dann erst Windows7.

    Ich denke du hast einen wunderbaren Job gemacht und die Misstände klar gestellt. Das es ohne wirkliche Folgen blieb ist schade.

    Ich mag meinen kleinen Pinguin und werde ihn auch nicht gegen ein Fenster oder eine Leoparden tauschen wollen.

    In diesem Sinn…weiter so und schöne Grüße Blue

  10. Sollte man sich dran erinnern, wenn Burda das nächste Mal ein Leistungsschutzrecht einfordert. Leistung ist Arbeit pro Zeit, deren Versuche ihre Leistung noch irgendwie messbar zu halten, in dem sie die aufgewendete Zeit minimieren, führt anscheinend dazu, dass es nur für einen flüchtigen Blick auf eine Beta (oder was auch immer das war) reicht.

    Dem nicht mal mehr grenz wertigen Artikel jetzt über die Maßen deine kostbare Zeit hinterher zu werfen, ist aber auch nicht sinnvoll, verschwinden sie doch bereits in der selbst gewählten Irrelevanz. Nachtreten ist unhöflich.

  11. Hallo,

    Zuerst bedanke ich mich bei Dir für Dein Engagement! Es im Sinne unserer Demokratie, wenn Du selbst das Heft in die Hand nimmst und auch großen Gegnern Widerstand leistest. Ich hoffe, dass Du unser Land weiterhin so mitgestaltest.

    Ich bin Webentwickler, arbeite täglich auf Linux (Debian, Xubuntu, Arch) und nutze es überaus gern. Mit Bedauern stelle ich jedoch fest, dass ich mich zunehmend in einer Welt begeisterter Linux-“Anhänger” wiederfinde, die das System nicht als eines vieler möglicher Werkzeuge begreifen, sondern verbissen um jedes Prozent Marktanteil bloggen. Ich bin von Deinem Anliegen überaus begeistert, von Deinem Fazit zum Urteil des Presserates auf Ubuntuusers.de aber zutiefst entäuscht. Aus meiner Sicht hast Du die Objektivität in diesem Punkt verloren.

    Ich denke es wird Zeit, solche Diskussionen zu vergessen und jedem Anwender die Wahl seines Betriebssystems und seiner Meinung zu überlassen. Grade wir Linux-User sollten in der Lage sein, die Rechtmäßigkeit jedes Betriebssystems für bestimmte Benutzergruppen zu erkennen und uns damit Einschätzungen wie der Deinen zu enthalten.

    Ich danke Dir trotzdem für Dein Engagement und hoffe, Du verstehst meinen Kommentar als Beihilfe und nicht als Gegenwind.

    LG Paul

  12. Hallo,

    ich kann mich den Vorherigen nur anschließen; vielen Dank für Dein Engagement!

    Diesen parteiischen Schreiberlingen bei chip glaube ich schon lange nichts mehr.

    Grüße

  13. “Es im Sinne unserer Demokratie, wenn Du selbst das Heft in die Hand nimmst und auch großen Gegnern Widerstand leistest. Ich hoffe, dass Du unser Land weiterhin so mitgestaltest.”

    Bei allem Respekt, wenn du die Medien in den letzten zwei Jahren aufmerksam verfolgt hast, wirst du über den begriff Gleichschaltung gestolpert sein. Das bewusste Totschweigen von Informationen, oder Des-informieren sind Standard. Oder kannst du erklären wofür Netzsperren gut sein sollen, wir in Afghanistan sind, oder Bankenpleiten auf die Bevölkerung abgewälzt werden und Staaten unter der Last Bankrott anmelden, um mal drei Themen von X als Beispiel zu nehmen. Der hier zitierte Presserat ist eine Luftnummer

    Trotz allem, Respekt vor Martins Engagement.
    Trotz dem das Chip ein reines Werbeblättchen ist und unterstes Niveau bedient, der Versuch der Korrektur ehrt Martin.

    Gabriel

    1. Hallo Gabriel,
      ich habe mich intensiv mit dem Thema Medien und Demokratie auseinandergesetzt. Du hast etwas beobachtet und sprichst die versuchte Steuerung von Informationen an. Natürlich wird das versucht – jeder von uns macht das.
      Hierbei und heute von “Gleichschaltung” zu sprechen, ist jedoch falsch. Es existiert keine diktatorische Steuerung, sondern eine Vielzahl von Interessensgruppen.
      Die Medien stehen im Wettkampf miteinander um Leser, Auflage und Einnahmen und sie haben sich differenziert. Die Politiker stehen im Wettbewerb und geben Presseinformationen heraus, je nach ihrem Interesse und zwar von jeder Partei. Bürger wählen zuletzt auch noch die Informationen aus.

      Zu komplex das Thema – aber “Gleichschaltung” ist etwas ganz anderes gewesen als “Mediendemokratie”.

      Grüße, Pete

  14. @Blogilo
    Ich denke mal, dass du dir die Hoffnung gemacht hast, das das etwas bringt, dürfte der Grund sein, das es dich jetzt so nervt. Sieh es mal von der Positiven Seite. Offenbar hat der Presseraat auf deine Einwände positiv reagiert. Man kann zwar sagen, das er nicht so positiv reagiert hat wie du es dir erhofft hast, aber nach all dem was man sonst so von irgendwelchen Behörden hört, schon erstaunlich Positiv. Könnte allenfalls an einer guten und sauberen Erklärung liegen, du warst wohl auch kaum beleidigend, missionarisch oder sonst wie unprofessionell. Wenn du so weiter machst und einfache Erklärungen lieferst könntest du beim Presserat und der Redaktion noch viel administrativen Aufwand erzeugen, der sehr wahrscheinlich wesentlich mehr Aufwand ist als du beim schreiben hattest.
    Wenn du es dir nicht zu sehr zu Herzen nimmst, könntest du daran sogar noch etwas Spass haben.

    Vielleicht wenn dir sowas Spass macht, könntest du dem Presserat ja anbieten eine Life Vorführung zu machen. Voila, du hast Beziehungen geknüpft. Zu gegeben, das du jetzt nochmal damit gewinnst dürfte schwer sein. In einer späteren Auseinandersetzung hättest du aber wesentlich bessere Karten.

    1. es tut mir ja leid, aber einen “Blogilo” gibt es nicht. Das ist die Software, die ich zum Schreiben von Blogposts verwende.

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