Google hat ja bekanntlich ein neues Netbook Betriebssystem angekündigt. Ich sehe dieses als größte Gefahr für FLOSS der letzten Jahre und ich hoffe und wünsche mir, dass es kein Erfolg wird. Der einzigen anderen Firma, der ich bisher nicht Erfolg gewünscht habe ist der Riese aus Redmond. Ich habe jetzt so sehr Angst vor Chrome, dass ich selbst mit dem Teufel, in Form von MS, paktieren würde, um dieses neue Betriebssystem zu bekämpfen.
Nun woher kommt diese Abneigung gegen Chrome OS? Laut der Ankündigung ist es doch Open Source. Also alles in Ordnung, warum sollte Open Source ein Angriff auf Open Source sein?
Nun allein die Ankündigung, dass es Open Source ist, ist ja schon der erste Punkt. Von Lizenz wurde noch nichts gesagt. Warum nicht freie Software? Ich gehe hier mal vom schlimmsten aus und denke es wird eine recht unhandliche Lizenz.
So schauen wir uns doch mal ein paar Schmankerl aus der Ankündigung an:
The user interface is minimal to stay out of your way, and most of the user experience takes place on the web.
D.h. Chrome OS wird nicht mehr sein als ein Browser. Alle Anwendungen laufen im Web. Nun ist es ja toll, dass Chrome OS komplett Open Source ist. Aber die Anwendungen, die man nutzt laufen auf Servern, nicht auf dem Gerät. Kann man da noch von Open Source sprechen? Wer hat schon den Code von GMail gesehen?
Wer Chrome OS benutzt, wird nicht nur seine Daten an Google geben, sondern auch die Berechnungen auslagern. Das Gerät wird ohne Internetzugang so gut wie unbenutzbar sein. Google ist schon eine Datenkrake, aber man muss sich bewusst machen, welche Daten sie mit Chrome OS in der Hand haben. Sie werden alles wissen. Sie werden wissen wie genau der Workflow aussieht, sie werden einen kontrollieren. 1984 – here we come. Ich hätte nie gedacht, dass der Angriff auf die Privatspähre in dieser Form nicht vom Staat ausgeht. Ganz klar: Stasi 2.0 ist Kindergarten dagegen.
Nun denn, der Leser mag sich denken: hey ich benutze doch die Webanwendungen gar nicht. Ich installiere einfach meine übliche Software und gut ist. Ist ja Linux – Chrome OS ist nichts mehr als eine weitere Distri. Tja leider nicht:
The software architecture is simple — Google Chrome running within a new windowing system on top of a Linux kernel.
Das entscheidende ist hierbei “a new windowing system” – es wird nicht X11 eingesetzt. Ach ja nicht weiter schlimm, X11 ist alt und verursacht viele Probleme. Ich plage mich tagtäglich damit rum. Aber es bedeutet viel mehr. All unsere freien Anwendungen verwenden X11. Keine GNOME/KDE/$DE Anwendung wird auf Chrome OS lauffähig sein. GTK+ und Qt müssten zuerst portiert werden. Window Manager wie KWin/Compiz/Mutter sind eng an die X11 Plattform angepasst und sind kaum portable. Diese sind nicht geschrieben worden mit dem Gedanken an andere Plattformen. Das heißt eine andere Benutzeroberfläche wäre nicht startbar, selbst wenn es jemand schaffen würde die Toolkits zu portieren.
Nun kommen wir dabei gleich zum nächsten Problem. Google spricht von einer simplen Architektur und nennt das Betriebssystem “lightweight”. Für mich bedeutet das, dass das windowing system so designt ist, dass es nur eine Anwendung ausführen kann: Chrome. Und wenn wir uns das Design vom Webbrowser Chrome anschauen, so stellen wir fest: hey das ist ja schon ein windowing system. Es hat eine Architektur, die pro Tab einen eigenen Prozess hat. Möchte man dies gut unter X11 erstellen, läuft es darauf hinaus, dass es ein eigenes Windowing System wird – vermute ich zumindest. Chrome scheint für mich bereits das komplette Windowing system zu integrieren.
Es gibt noch etwas was mir Angst macht: die Tatsache, dass die Ankündigung für Chrome OS während GCDS erfolgte. Google war Sponsor, wusste also, dass der Summit stattfindet. Für mich ist es kein Zufall. Für mich ist es ein Zeichen Googles, dass sie KDE und GNOME als überflüssig ansehen: “Lasst die mal diskutieren – hier das ist die Zukunft”. Ein sehr beängstigendes Zeichen.
Fassen wir zusammen: Chrome OS wird es unmöglich machen für existierende freie Software auf der Plattform zu laufen. Zusätzlich wird die komplette Berechnung auf die Server in Mountain View verlagert. Der Quellcode der Präsentationsschicht wird zwar freigegeben – ist aber recht wertlos. Es ist nur die Präsentationsschicht.
Ach und da ist noch ein anderes Problemchen: hat Chrome OS Erfolg, nimmt es unseren Marktanteil weg. Windows und Mac OS werden davon nicht wirklich beeinträchtigt werden. Für uns ist es aber eine Gefahr.
Hat Chrome OS keinen Erfolg, so steht FLOSS ziemlich schlecht da. Wir werden verspottet werden und es wird heißen, dass man mit freier Software und Linux doch keinen Erfolg haben kann. Dass das Produkt, was Google ausliefert, nichts mit dem existierenden FLOSS Stack zu tun hat, ist dann irrelevant. Egal wie, wir sind die Verlierer.
Chrome ist für mich eine riesige Gefahr und wir müssen gemeinsam den Leuten klar machen, was es bedeutet, wenn dieses “Betriebssystem” Erfolg hat. Niemand sollte es benutzen. Die Leute, die sich nicht so gut auskennen, werden den Angriff auf FLOSS nicht verstehen, wir müssen sie mit den Gefahren für sie aufklären. Chrome OS bedeutet die Verlagerung sämtlicher Daten und sämtlicher Berechnungen auf die Server von Google. Man hat keine Privatsphäre mehr. Google weiß alles. Sie wissen wie lange man auf youporn war, wie oft und was man zuvor und danach gemacht hat. Leute macht euch klar: mit Chrome gibt es keine Privatsphäre mehr. Das Verfassungsgericht hat uns letztes Jahr ein tolles neues Grundrecht gegeben. Seid stolz in einem Land zu leben, in dem die Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme und die informationelle Selbstbestimmung grundrechtlich geschütz ist. Zerstört es nicht, indem ihr alles an Google gibt. Geben wir freiwillig unseren Schutz auf, schützt uns auch das Verfassungsgericht nicht mehr, wenn die Politik wieder begehrlich ist.